10 Tonnen Sangiovese Trauben des Fabeljahrgangs 2015 auf Corte Pavone schutzlos den drohenden Regenwolken ausgeliefert
„Nicht schon wieder „Ancora!“ lasse ich meiner missmutigen Stimmung freien Lauf. Auf der Autobahn um Genova gibt es derer am laufenden Band. Ich bin aber fest entschlossen, die Strecke bis nach Montalcino über Livorno, Pisa und Grosseto in der von mir veranschlagten Zeit zu schaffen.
Unterdessen fiebern auf Corte Pavone knapp 40 Erntehelfer dem Ende der Ernte entgegen. Wir wissen alle, dass wir dieses Mal endlich den ganz großen Fang im Netz haben, alles ist optimal verlaufen, das Wetter, die Weinbergs arbeiten unterm Jahr (siehe unten „Was war 2015 auf Corte Pavone los“), die Erntevorbereitungen und die bisherige Lese. Der Ernteablauf wurde im Vorfeld akribisch und detailgetreu durchdacht, mit Hilfe unserer seit 2011 eingeführten Qualitätszonen im Weinberg (dazu späterer Beitrag). Ziel war es, die Trauben am Zenit ihrer Reifeentwicklung zu bestmöglichen Bedingungen zu wimmen.
Vor knapp einer Woche hatten die Meteorologen eine 4 bis 5 tägige Schlechtwetterfront prognostiziert, von Sardinien kommend, die Ausläufer des Ex-Hurrikans „Joaquin“ bedrohten unser finales Unterfangen, alle wissen um den in dieser Jahreszeit für unsere Breitengrade grausamen Regen.
Die letzten 3 Tage waren folglich der Horror für alle, da 2/3 der Trauben in dieser kurzen Zeit in den Keller gebracht werden mussten. Erhöhte Adrenalin- und Testosteronspiegel beladen die Luft im Keller und zwischen den Reben. Alle müssen 110% ihrer Leistung geben, um die letzten 3 Hektar am 30. September noch rechtzeitig ins Trockene zu bringen.
Haben wir jetzt doch zu hoch gepokert?
Inzwischen bin ich schon längst ein gutes Stück weiter, der Verkehr ist meiner wachsenden Ungeduld gnädig, es fehlen nun nur noch wenige Kilometer bis nach Montalcino.
Als ich gegen 18 Uhr abends in unsere legendäre Zypressenallee im wahrsten Sinne des Wortes „hineinspringe“, sehe ich wie die Erntearbeiter vom Campo Levante, dem letzten Weinberg, herauf schreiten. Haben Sie es geschafft? Es regnet noch nicht, aber der Himmel hat sich bereits beunruhigend verschwärzt. Ich habe auf der Fahrt nach Corte Pavone bewusst nicht angerufen, weil ich vollstes Vertrauen in meine Mannschaft habe, jeder würde sein Bestes geben, das Team besitzt ausgezeichnete Führungs- und Fachkräfte.
Ich steige aus dem Auto und bemerke sofort eine auffällige Stille auf dem Weingut. Sehr verdächtig, denke ich, wo ich doch nervöse Hektik erwartet habe. Ich suche meine zwei Vertrauensmänner Daniele, verantwortlich im Keller, und Matteo federführend für die Weinberggeschicke. Ich finde niemanden und gehe deshalb schnurstracks zum 100 m tiefer gelegenen Campo Levante. Auch dort herrscht Totenstille.
Da sehe ich sie! Geschätzte 400 bis 500 Kisten vollbepackt mit reifsten Sangiovese Trauben unter den Reben in den Zeilen verteilt. Und eine wahnsinnige Luftfeuchtigkeit in der Atmosphäre. Oh verdammt, denke ich, der Regen! Und da lagen knappe 7000 Brunello Flaschen dieses einzigartigen 2015er Jahrganges ungeschützt unter freiem Himmel.
Endlich Traktorgeräusche! Die Rettung naht! Im Laufe der folgenden 5 Stunden werde ich Zeuge und Mit-Protagonist eines perfekt durchgeführten Ernte und Arbeitsplanes meiner Mannschaft auf Corte Pavone.
2 getrennte Mannschaften beladen die ununterbrochen laufenden Traktoren mit den Traubenkisten, welche zielstrebig und in Windeseile in die Traubenabnahmehalle geführt werden. Jede Charge wird genauestens auf Herkunftsweinberg, Klon und Qualitätszone geprüft, erfasst und für die weitere Verarbeitung bereitgestellt. Alles von Hand! Beinharte Knochenarbeit, schweißtreibend und körperlich an die eigenen Grenzen gehend. Jedem ist langsam aber sicher mehr und mehr ein feines Lächeln ins Gesicht gezeichnet, das Ende naht!
Plötzlich, gegen 10 Uhr abends bei völliger Dunkelheit, schreit Giuseppe aus dem gerade geparkten Traktor: „Sono le ultime! È fatta!„ („Die letzen Kisten, wir haben´s geschafft!“) und im selben Augenblick fängt es an zu tröpfeln…
Nach weiteren 2 Stunden harter Arbeit bei der Traubenselektion und –verarbeitung Richtung Gärkeller fehlen nur noch wenige Kisten. Mehrere Sektflaschen unseres „Le Perle di Pavone“ warten bereits gekühlt. Das ganze Team um Matteo & Daniele, Daniela, Beppe, Giordano, Jacopo, Rita, Marco und die 2 Praktikanten Johannes und Simone stehen mit der letzten Kiste Sangiovese dieses legendären Jahrgangs auf der Hebebühne, alle lachen und feiern bereits, jetzt ist es vollbracht.
Erleben Sie mit uns die Begeisterung!
Foto Quelle: Loacker Tenute