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Rückblick: Historische internationale Silvanerprobe

„Ein wahr gewordener Traum“ Historische internationale Silvanerprobe in Schloss Castell, Franken

350 Jahre Silvaner – bei einer historischen Probe im Schloss Castell gab es Glückwünsche von den anerkanntesten Weinexperten aus aller Welt wie zum Beispiel von Jancis Robinson: „Der Silvaner ist auf dem Weg nach oben.“

26 legendäre Silvaner aus berühmten Lagen in ganz
Europa hatte der italienische Journalist Gian Luca Mazzella für diese
einmalige Probenkonzept zusammengestellt, bei der sich der Silvaner
über einen Zeitraum von knapp hundert Jahren mit einem unglaublichen
Facettenreichtum präsentierte. „Für mich ist das ein Traum, der nun
wahr geworden ist“, sagte Ferdinand Erbgraf zu Castell-Castell, der
gemeinsam mit den VDP Prädikatsweingütern Franken zu dieser besonderen
Geburtstagsfeier eingeladen hatte. 


Who-is-Who: Silvaner, Erzeuger und Verkoster
Es
ist eine Probe quer durch das Who-is-Who der Silvaner-Welt: Angefangen
von A wie Abbazia di Novacella über B wie Bürgerspital zum Hl. Geist
und C wie Fürstlich Castell`sches Domänenamt bis W wie Domaine
Weinbach, Weltner, Wittman oder Wirsching. Und am Tisch versammelt ist
das Who-is-Who der anerkanntesten Weinexperten weltweit: Publizisten,
die in ihrer Heimat für renommierte Weinpublikationen schreiben, zudem
einflussreiche Verkoster und Buchautoren sind und als Kapazitäten ihrer
Zunft gelten: Jancis Robinson M.W., (England), Yumi Tanabe (Japan),
Neil Beckett (England), Bernard Burtschy (Frankreich), Arne Ronold
(Norwegen), Dr. David Schildknecht (USA) und natürlich Prof. Dr. Gian
Luca Mazzella (Italien). Natürlich darf auch die deutsche Presse nicht
fehlen: Ulrich Sautter (Feinschmecker), Dr. Daniel Deckers (Frankfurter
Allgemeine Zeitung), Stephan Reinhard (Weinwisser), Christian Volbracht
(dpa).


Probenkonzept
Über 6 Monate lang
hatte Gian Luca Mazzella in den Kellern der renommiertesten
Silvaner-Erzeuger Deutschlands, aber auch im Elsass und Südtirol
nachgeforscht, um fast ein Jahrhundert Silvaner in seiner ganzen
Vielfalt an Ausbaustilen und Varietäten darzustellen. Kein einfaches
Unterfangen, wie Mazzella feststellen musste, der schon im Vorjahr zur
Probe „Ein Jahrhundertprobe Riesling“ in Schloss Johannisberg geladen
hatte, denn „Silvaner wurde in den Schatzkammern nicht so gepflegt wie
Riesling.“ Auch die Präsenz sämtlicher Erzeuger war Mazzella wichtig
für sein Probenkonzept, damit diese persönlich das ganze Spektrum des
Silvaners vorstellen und mit den Verkostern diskutieren konnten: Die
Terroirs, das Reifepotential, die unterschiedlichen Ausbaustile, die
Nuancen der unterschiedlichen Klone – wer kennt schon blauen und gelben
Silvaner -, die Reaktion des Silvaners auf unterschiedliche
Jahrgangs-Klimata und natürlich auch die Qualitätskategorien vom
Cabinet bis hin zur Trockenbeerenauslese. Ein Austausch, der für
Erzeuger und Verkoster gleichermaßen rar und doch so wichtig ist.


Silvaner – Jahrgang 1915….
Wie immer,
wenn große Weine geöffnet werden, ist die Stimmung ehrfürchtig. Und es
wird nicht nur über den Wein an sich, sondern über viel mehr
gesprochen: über die Liebe, über Erinnerungen, über Landschaften, über
Familientraditionen und natürlich: über das Wetter. Zum Beispiel das
aus dem Jahr 1915: Milder Winter, spätes Frühjahr, heißer Sommer… Es
ist ein 1915er Schloss Hallburger Sylvaner, mit dem die Probe in der
Schlossbibliothek von Castell eröffnet wird und der mit seiner über
fast ein Jahrhundert erhaltenen Frische und lebendigen Furchtsäure
gleich für eine Überraschung sorgt. Es sei ihm nicht schwer gefallen,
eine seiner nun nur noch sechs verbleibenden Flaschen für diese Probe
bereit zustellen, sagt Paul Graf  Schönborn: „Denn das hier ist eine
Riesenchance für den Silvaner.“


Silvaner – Synonym für Franken

Noch
bis vor 50 Jahren war er die am meisten verbreitete Rebsorte in
Deutschland, im 19. Jahrhundert war jeder zweite Rebstock ein Silvaner.
Dann geriet er vielerorts in Vergessenheit, wurde durch andere
Rebsorten wie den Riesling verdrängt. Heute wird er auf 5.300 Hektar in
Deutschland angebaut, das sind rund fünf Prozent der Rebfläche. In
Franken jedoch behielt er seine Spitzenposition und wurde zum Synonym
für das Anbaugebiet „so wie der Pinot Noir ein Synonym für Burgund
ist“, erklärt Karl Martin Schmitt, Vorsitzender der VDP
Prädikatsweingüter Franken. Die Renaissance, welche die Rebsorte nun
erlebt, für ihn war sie längst an der Zeit: "Silvaner ist ein
bekömmlicher Alleskönner und ein idealer Interpret des Terroirs."  


Lagerfähigkeit und Geschichte…
All
das konnte der Silvaner bereits am Vorabend bei einem festlichen
Abendessen auf Schloss Weißenfels in Pommersfelden bestätigen. Am
Samstag aber nun überraschte er zudem noch durch die große
Lagerfähigkeit. Zusammengerechnet 816 Jahre Silvaner aus den großen
Terroirs von Franken, Elsass, Rheinhessen, Pfalz, Baden und Südtirol
wurden von Spitzen-Sommelier Christina Fischer ausgeschenkt. „Eine
großartige Möglichkeit, um den Silvaner in all seinen Variationen zu
testen und die Identität der Rebe zu verstehen“, sagt Gian Luca
Mazzella: „Denn um die Identität eines Weines zu verstehen, muss man
seine Geschichte kennen.“ Und die ist im Falle des Silvaners
wechselvoll, führte zu den unterschiedlichsten Stilistiken, wie auch
die Probe an historischer Stelle dokumentiert. Vor 350 Jahren wurde
Silvaner erstmals in Deutschland auf dem Casteller Schlossberg
angepflanzt – eine Quittung über den Kauf von 25 Rebstöcken
„Österreicher“, wie die Rebsorte damals genannt wurde, liegt im Archiv
des Schlosses Castell.


Die letzte Flasche 1959er…

Die
ältesten Weine stellt jedoch diesmal das Weingut Graf Schönborn mit dem
1915er Sylvaner – wie er damals noch geschrieben wurde – und aus dem
gleichen Clos, dem ummauerten Schloss Hallberg, ein 1934er. In diesem
Flight der ältesten Weine zudem noch ein 1949er Westhofener Kirchspiel
natur vom Weingut Wittmann, ein 1951 Casteller Schlossberg Silvaner und
ein 1952er Alsace Willm Sylvaner. Über die Jahre hinweg dann zeigen die
Weine, welch großer Facettenreichtum im Silvaner steckt, wie er Lage
und Jahrgang spiegelt: Ob trocken ausgebaut oder in seinen edelsüßen
Variationen. Wie ein großer Fächer, der ausgebreitet wird, präsentiert
sich die Rebsorte: Zeigt unverwechselbare Attribute wie ihre Eleganz
und Kraft bei einer milden, aber doch lebendigen Säure, besticht durch
Komplexität, beeindruckt mit ihrer Mineralität oder überrascht durch
eine weiche, cremige Frucht. „Hört auf damit, den Silvaner mit dem
Riesling zu vergleichen“, sagt Gian Luca Mazzella: Der Silvaner, er
steht für sich. Nach 350 Jahren besser denn je. Eine einmalige
historische Probe – und das  im wahrsten Sinne des Wortes. Das
Bürgerspital ließ dafür die letzte Flasche einer 1959er Silvaner
Trockenbeerenauslese vom Würzburger Stein entkorken. „Silvaner ist
etwas Gutes“, sagt Karl Martin Schmitt: „Verbreiten Sie diese frohe
Botschaft!“