Die Prädikatsweingüter haben ihren 100. Geburtstags-Jahrgang erfolgreich in ihre Keller gebracht. „Es war ein herausfordernder, aufwändiger Jahrgang, der ob der Wetterkapriolen natürlich Spekulationen über dessen Güte von Beginn der Ernte an provozierte.
Aber dass schwierige Jahre keine schlechten sein müssen und sich in
solchen Jahren‚ die Spreu vom Weizen trennt‘, gilt als Credo bei den
Prädikatsweingütern,“ so VDP Präsident Steffen Christmann. Nach
Abschluss der Ernte gärt ein mengenmäßig extrem kleiner Jahrgang von
durchweg solider Qualität in den Fässern: Insbesondere die spätreifenden
Sorten, wie Riesling, Silvaner und die Burgunder profitierten von dem
großartigen Herbstwetter, das alles zum Guten wendete. Sie blieben
gesund, erreichten die Vollreife und nicht wenige edelüße Spitzenweine
konnten in Toplagen geerntet werden.
Die äußerst
geringe Menge lässt sich mit 30 – 50 % unter Normal beziffern, was
bei den Prädikatsweingütern eine Erntemenge durchschnittlich um die
40 hl/ha bedeutet. „Die unerwartet hohen Mostgewichte haben uns für
die großen Ernteeinbußen entschädigt“ fasst Matthias Müller,
Mittelrhein,
die Meinung vieler VDP-Weingüter zusammen. Ähnlich geringe Ernten
liegen mehr als ein Vierteljahrhundert zurück (u.a. 1980 oder 1945).
„Die große Herausforderung wird tatsächlich die kleine Menge sein,
mit der nur unter Anstrengungen der Markt ausreichend beschickt werden
kann.“, so Steffen Christmann Präsident der VDP Prädikatsweingüter.
Was bisher
geschah…zur Vegetation 2010
Der regional
wechselhafte Vegetationsverlauf war einzigartig 2010.
Schlechtwetterphasen
zur Zeit der Rebblüte waren eine Ursache für die geringen Erntemengen
und führten zu wenigen und dazu noch kleinbeerigen Trauben. In manchen
Gebieten kam noch extremer Hagel dazu (Pfalz und Rheinhessen). Regen
und Kälte in der zweiten Sommerhälfte sorgten dann für eine insgesamt
langsame Entwicklung. Die resultierende extrem heterogene Reife
innerhalb
einer Parzelle, oftmals sogar innerhalb einer Traube, ließ reife und
überreife Beeren direkt neben unreifen Trauben am Rebstock hängen.
Folglich war es nur durch arbeitsaufwändige, konsequente, mehrfache
Selektion der Trauben und zahlreiche motivierte Lesehelfer möglich,
gesunde und reife Trauben einzubringen.
2010 ein
Jahrgang der handwerklich arbeitenden Winzer
Diese
Ausgangssituation
machte qualitätssichernde Maßnahmen unerlässlich. Unter Inkaufnahme
weiterer Mengeneinbußen, wurden die Weinberge, die bei den
Prädikatsweingütern
meist in ERSTEN LAGEN stehen, gestaffelt, das heißt in
mehreren Durchgängen von Hand gelesen. So ist es den Prädikatsweingütern
trotz der erschwerten Bedingungen gelungen, gesunde, einheitlich reife
Trauben in die Keller zu bringen. Die Moste präsentieren sich im Moment
sehr klar und feinfruchtig, mit Extrakt- und Aromenfülle, voll Spannung,
Spiel und Mineralität. Der eigenständige Jahrgangscharakter der 2010er
wird von einer erfrischenden Säure geprägt sein, die Säurewerte lagen
im Schnitt ein wenig über denen des Jahrgangs 2008. Dafür bleibt der
Alkoholgehalt in diesem Jahr naturgemäß moderater als in den Vorjahren.
Ausgewählte Statements
der Winzer:
Schloss Vollrads, Rheingau
„Wir haben zwei Parzellen
für Eiswein vorgesehen. Dort sind die Trauben kerngesund, sehr klein-und
lockerbeerig und die Stengel der Trauben gesund und verholzt. Das
Säuregerüst
des Jahrganges 2010 lässt -sofern uns der Winterfrost nicht im Stich
lässt- auf extrem interessante und klassische (säuregeprägte) Eisweine
hoffen.“
Jakob Jung, Rheingau
Es gab nicht nur große
regionale,
sondern vor allem auch Unterschiede abhängig von Ort und Winzer. „In
solch komplizierten Jahren wie 2010 trennt sich eben die Spreu vom
Weizen.“
Staatsweingüter Kloster
Eberbach, Rheingau
„Hochwertigste edelüße
Weine konnten erzeugt werden. Wir haben TBA's (Trockenbeerenauslesen)
aus fünf verschiedenen Spitzenlagen.“
Schloss Johannisberg,
Rheingau
„Bei uns ist die Ernte sehr
klein ausgefallen. Wir haben lediglich 30 hl/ ha geerntet. Das ist auf
dem Niveau von 1980, davor wurde nur 1945 weniger geerntet.“
Heymann-Löwenstein, Mosel
„2010 war die Vegetation
in einer Konstellation, die es sie seit Menschengedenken nicht gegeben
hat. Insbesondere da die hohen Mostgewichte nur bedingt dem Botrytis
zuzurechen sind. Wir haben gesunde Trauben mit 110°geerntet. So etwas
hatte ich bislang theoretisch nicht für möglich gehalten.“
Schloss Lieser, Mosel
„Die Qualität ist wieder
sehr hochwertig, auch wenn der Jahrgang an sich in allem anspruchsvoller
ist in Bezug auf die Lese und Verarbeitung.“
S.A.Prüm, Mosel
„Eine Eisweinernte wird es
nicht geben da der Anteil an Botrytis befallenen Trauben doch zu hoch
ist. Außerdem sind die für Eiswein zu erwartenden Säurewerte zu hoch.“
Reichsgraf von
Kesselstatt, Mosel
„Unsere Erwartungen an die
Qualität wurden weit übertroffen. Die meisten Moste liegen letztendlich
zwischen 88° und 100 ° Oechsle. Ein traumhaftes Ergebnis, vor allen
Dingen in Anbetracht der „Unkerei“. Ein Jahrgang voller Spannung,
Spiel und Mineralität.“
St. Antony, Rheinhessen
„Die Säure war in guten
Terroirs ab 10. Oktober kein Problem mehr und wird sicherlich die Weine
beleben ohne spitz zu wirken. Alles in allem erinnert der Jahrgang etwas
an 1996, 2004 oder 2008, allesamt Jahrgänge, die sehr lang halten und
letztlich hohen Trinkspaß und tolle Frucht bieten.“
Weingut am Stein, Franken
„In Franken lagen wir doch
deutlich unter dem Durchschnitt. Wir haben z.B. nur 42hl/ha geerntet.
Allerdings waren die Qualitäten der Spätsorten (Riesling, Silvaner)
dann doch überraschend gut.“
Domänenamt
Castell, Franken
„Den Jahrgang 2010 kennzeichnet
aus unserer Sicht eine elegante, frische Kabinett-Charakteristik, ideal
für die Freunde der deutschen Weinstilistik. Bei den trockenen
Spitzenweinen
wie den Grossen Gewächsen gibt es nur sehr kleine Mengen mit
voraussichtlich
guten bis sehr guten Qualitäten.“
Bürgerspital, Franken
„Der Jahrgang ist meines
Erachtens besser als sein Ruf. Die Weine mussten hart erarbeitet werden
und die Winzer haben einen großen Aufwand betrieben für diese Weine.“
Juliusspital, Franken
„Silvaner ist der Gewinner
– sowohl im Gesundheitszustand als auch im Mostgewicht. Die ersten
Weine zeigen am Ende der Gärung schon sehr klare Fruchtaromen, die
Säure ist gut eingebunden. Auch im Keller machten die Weine sehr viel
Arbeit – und jetzt schon viel Spaß.“
Ökonomierat Rebholz, Pfalz
„Das großartige Herbstwetter
wendete fast alles zum Guten – mit Ausnahme des Ertrages. Riesling und
Burgunder brachten uns vollreife, goldgelbe Trauben mit nur ganz
geringer
Fäulnis in Form edler Botrytis. So konnten wir Trauben in Großer
Gewächs-Qualität
in allen Ersten Lagen lesen.“
Emrich-Schönleber, Nahe
„Wir konnten schöne,
aromatische
Trauben für Spät- und Auslesen ernten und auch für die Grossen Gewächse
stehen die Zeichen sehr gut, wenngleich gerade hier der Ertrag sehr
gering ist.“
Graf Adelmann, Württemberg
„Wieder ein Jahrgang, bei
dem man den ‚Könner in Weinbau und Keller‘ erkennen kann!“
Matthias Müller, Mittelrhein
„Die Säure bewegt sich auf
überdurchschnittlichem Niveau. Wir erwarten extraktreiche mineralische
Rieslinge vom neuen Jahrgang.“
Stigler, Baden
„Unsere Mengenverluste mit
bis zu 30%, werden durch die sehr gute Qualität ausgeglichen.“
Glossar:
Verrieselung: Zur
Verrieselung kommt es während der Blüte zum Beispiel durch kühle
Witterung, Hagel oder starken Niederschlag. Durch die kältebedingte
langsame Geschwindigkeit der Abläufe, werden die Pollen nur teilweise
auf den Stempel geschleudert. Das Ergebnis des Verrieselns sind Ausfälle
von Beeren, aber auch viele jungfernfrüchtige Beeren, was zu
lockerbeerigen
Trauben und damit einem geringeren Ertrag führt.
Selektive Handlese:
Die selektive Handlese ist eine überaus aufwändige Methode einen
Weinberg
zu ernten. Im Gegensatz zu industriell hergestellten Weinen, werden
die handwerklich erzeugten Weine der Prädikatsweingüter fast
ausschließlich
mit dieser Methode eingebracht. Der Grund hierfür ist der Wille und
Anspruch saubere und nach ihrem Reifegrad sortierte Weine einzulagern.
Botrytis: Botrytis
cinerea ist ein ubiquitär vorhandener Schimmelpilz, der sich von
Fruchtzucker
ernährt. Durch kleine Risse und Verletzungen der Beerenhaut dringt
er in die Früchte ein. Geschieht dies im unreifen Zustand der Trauben
bildet sich unerwünschte Graufäule, die sich negativ auf die
Fruchtaromen
auswirkt. Sind die Trauben jedoch vollreif führt ein Befall durch
Botrytis
cinerea zur Konzentration der Inhaltsstoffe durch Verdunsten des Wassers
und ist damit Grundlage zur Produktion hochwertiger Süßweine.