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Der Lagrein – der Südtiroler Star mit Tradition

Aufstieg einer Südtiroler Landsorte in den italienischen Weinolymp
(Text  Wolfgang Kager
Kellerei Bozen
2007)

Lange Zeit wurde das Image des Südtiroler Weins vor allem im Ausland von einem Schlagwort geprägt: Vernatsch. Der leichte Rote, Sinnbild vieler Touristen für die"Dolce Vita", der unbeschwerten Lebensfreude einer europäischen Ferienregion am Schnittpunkt der Kulturen, am Übergang zwischen Nord und Süd, der Erdverbundenheit seiner Menschen.

Im Bild: Lagreinrebe aus dem Weingut Taber (Kellerei Bozen = Bildquelle)

 

Die Vernatschtraube, die immerhin fast
die Hälfte der Weinbaufläche Südtirols belegt, bürgt
heute wohl mehr denn je für Qualität, kann aber nicht mehr
behaupten einzig das Bild der Südtiroler Weinlandschaft zu
prägen. In den letzten zwanzig Jahren, im Zuge des qualitativen
Aufschwungs und der Bemühungen der Weinwirtschaft wurden große
Erfolge auch mit den so genannten „internationalen“ roten und
weißen Sorten erzielt. Gleichzeitig begann jedoch auch die
Rückbesinnung auf das Potenzial der alten einheimischen Sorten
wie den Gewürztraminer und den Lagrein. Gerade in den letzten
Jahren zeigte sich, dass der beschrittene Weg der Richtige war.

Einheimische Südtiroler Sorten, in
nie gewesenen Qualitäten erzielen regelmäßig höchste
Auszeichnungen im In- und Ausland.

Wohl den größten Wandel
erlebte die wohl älteste noch in Südtirol angebaute Sorte:
der Lagrein.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts
versuchte man Ursprung der Rebe und des Namens wissenschaftlich zu
ergründen.

Erste Thesen zogen den Schluss, der
Name habe wohl griechische Wurzeln, bedeutet doch die griechische
Vokabel „lagarinthos“ auch „hängend“ oder „zu Boden
hängender Pflanzenteil“. Gängig ist auch heute noch die
Annahme, die Sorte sei über Griechenland in die antike Kolonie
„Lagaria“ im Süden Italiens gelangt, von wo sie im Zuge der
römischen Besiedlung Südtirols eingeführt wurde.

Es wurde auch die These vertreten, der
Lagrein stamme wohl aus der Val Lagarina, dem südlichen Teil des
Etschtales in der überwiegend italienischsprachigen
Nachbarprovinz Trient. Allerdings konnte nie ein wirklicher Beweis
für diese These angetreten werden.

Neueste genetische Untersuchungen
(IASMA, 2006) der Erbmasse belegen, dass es sich beim Lagrein
um einen direkten Abkömmling des Teroldego, der roten
Paradesorte des Trentinos handelt. Weiters konnte die bereits früher
geäußerte These bestätigt werden, dass der Lagrein in
einem sehr nahen Verwandtschaftsverhältnis zur Sorte Marzemino
(Trentino und Veneto) sowie zum Syrah und zum Refosco (Friaul) steht.
Widerlegt wurde hingegen die These, dass der Lagrein zusammen mit
Syrah und dem Teroldego aus Südtitalien oder Griechenland
gekommen sei. Der genetische Abgleich belegte nämlich die
Abstammung vom Blauburgunder, der bereits von den Römern in alle
Weinberge des Reiches gebracht wurde.

Die erste konkrete Erwähnung der
Sorte Lagrein findet sich in einem spätmittelalterlichen
Dokument aus dem Jahre 1379. Fortan lässt sich die Geschichte
des Lagrein recht lückenlos verfolgen. Bis ins 15. Jahrhundert
wurde der Lagrein wohl im ganzen Weinbaugebiet Südtirols
angepflanzt, erst in den folgenden Jahrhunderten begann der
allmähliche Rückgang der Anbaufläche in Folge der
Ausbreitung der ertragsstärkeren und einfacher zu handhabenden
Sorte Vernatsch.

Vor Allem in der Schwemmlandebene
zwischen Talfer, Etsch und Eisack jedoch, dort wo die Traubensorte
beste Wachstums- und Reifebedingungen vorfinden konnte, überlebten
zahlreiche sortenreine Bestände die Zeiten.

Bis noch vor wenigen Jahrzehnten war
die bevorzugte Ausbauvariante der helle, leichte und fruchtbetonte
"Lagrein Kretzer", sprich der Rosèweinausbau.
Kretzern bezeichnet dialektal das Abziehen des Mostes von den Trauben
durch ein weidenes Sieb, der "Kretze".

Seit alters her war der Lagrein auch
zur farblichen Verbesserung der verschiedenen Vernatschweine
bestimmt, besonders in schlechteren Jahrgängen.

Erst nach der großen Weinkrise in
den 70er und 80er Jahren, mit der damit verbundenen Änderung des
Trinkverhaltens der Absatzmärkte hin zu schwereren,
extraktreicheren und farbreicheren Rotweinen, begann der
kontinuierliche Aufstieg des nunmehr auf Schale und Kernen vergorenen
"Lagrein Dunkel".

Dank des qualitativen Aufschwungs in
den letzten Jahren, durch die Verbesserung des technischen Know-hows
in Anbau und Ausbau, der Hinwendung der weinjournalistischen Medien
zu regionaltypischen Sorten und des dadurch steigenden neuen
Selbstbewusstseins der einheimischen Betriebe, zählt der Lagrein
heute zu den besten Rotweinen Italiens. Vor allem die selektierten
Qualitäten gewissenhaft in Barriquefässern aus
französischer Eiche ausgebaut, zählen regelmäßig
zur nationalen Elite.