Bozen bildete den fachlichen Auftakt des Genussfestivals Südtirol –
Experten: Trend geht in Richtung Authentizität und Ursprungsbezug
Bozen
– Rund 120 Entscheidungsträger informierten sich am Donnerstag beim
Genusssymposium im Bozner Merkantilmuseum über die neuesten Trends, die
auf die Südtiroler Lebensmittelwirtschaft zukommen werden. Das Symposium
bildete den Auftakt des Genussfestivals Südtirol, das von der EOS
Export Organisation Südtirol der Handelskammer Bozen koordiniert und
organisiert wird.
Foto V.l.: Moderator Ulrich Eggert, EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann, Fabian Lange, Andreas Steinle, Cornelius Lange und Roberto Burdese;
Höhere Wertschöpfung durch Ursprungsbezeichnungen
„Ursprungsbezeichnungen
sind eine gute Möglichkeit, auf dem Markt entsprechende Wertschöpfung
zu erzielen“, sagte Herbert Dorfmann, Mitglied des Europäischen
Parlaments, beim Genusssymposium. „Zum einen geben diese Bezeichnungen
dem Konsumenten Sicherheit, zum anderen ist die Herkunft garantiert.“
Derzeit werde die Gesetzgebung auf europäischer Ebene unter dem Titel
„Qualitätspaket“ neu geordnet. Dorfmann: „Die EU will den Weg zum Erhalt
einer Ursprungsbezeichnung effizienter machen, diese dabei aber
natürlich nicht verwässern.“
Für die Zukunft ortet Dorfmann
Potenzial bei den Ursprungsbezeichnungen in der Südtiroler
Landwirtschaft: „Gerade im Milch- und Apfelsektor sehe ich noch große
Chancen, mit ursprungsgeschützten Spezialitäten auf dem Markt zu
reüssieren.“
Neues Qualitätsbewusstsein
Garantierter
Ursprung ist auch für führende Trendforscher ein essentieller
Wettbewerbsvorteil auf den Märkten von morgen. „Die Menschen wollen zwar
die Angebotsvielfalt und die Vorzüge des urbanen Lebensstils.
Gleichzeitig geht die Sehnsucht in Richtung Authentizität,
Ursprungsbezug, Geruch der frischen Wiese, regional verständliche
Produkte und erlebte Qualität“, sagte David Bosshart, CEO des Gottlieb
Duttweiler Institutes. Außerdem herrsche ein neues Qualitätsbewusstsein,
Nachhaltigkeit werde immer wichtiger.
Ein weiterer Trend sei
die neue Gastfreundschaft, glaubt Bosshart: „Wir sind heute einsame
Esser, essen immer mehr alleine und unterwegs. Essen ist primär etwas
Gesellschaftliches, und wirklicher Genuss entsteht nur über das Teilen
von Erfahrungen. Eine vernetzte Welt mit verwirrenden Angeboten und
unterschiedlichsten Wertevorstellungen muss auf hochwertiger
Gastfreundschaft aufbauen: Wie wir mit Produkten umgehen, so gehen wir
auch mit den Gästen um – und umgekehrt. Die Liebe zum Gast entspricht
der Liebe zum Produkt. Wenn wir die Küche einer Region mögen, mögen wir
meist auch die Menschen.“
Eine Region wie Südtirol könne sich
nur ganzheitlich vermarkten und weiter entwicklen, erklärte der
Trendforscher: „Sie braucht unterschiedliche Marken, die ein stimmiges
Gesamtbild abgeben müssen. Handel, Industrie, Gastronomie und Tourismus
müssen den eingeschlagenen Weg kontinuierlich weiterverfolgen.“
„Märkte der Zukunft sind Märkte der Identität“
Produkte
sind ein Fenster zur Welt, sagte Andreas Steinle, Geschäftsführer des
deutschen Zukunftsinstitutes: „Die modernen Kommunikationstechnologien
machen es möglich, dass jeder Apfel in Zukunft ein Reiseprospekt wird.
Man scannt über das iPhone einen Barcode ein und erfährt alles über die
Herkunftsregion. Essen wird für das Tourismusmarketing immer wichtiger.“
Die Märkte der Zukunft seien Märkte der Identität, sagte
Steinle. „Wir sind mittlerweile ortlos geworden und suchen nach
Identitäten. Über Produkte und Regionen können wir uns in Zukunft
verorten.“ Südtiroler Qualitätsprodukte müssten den Konsumenten, die auf
Nachhaltigkeit setzen, vermitteln, dass sie die Welt besser machen.
„Nicht nur die Asche hüten, sondern Glut schüren“
Wie kommt der Genuss in die Welt? Diese
Frage beantworteten die Genussexperten Fabian und Cornelius Lange beim
Genusssymposium. „Genuss war nicht immer da. Außerdem ist der
Genussbegriff in einem permanenten Wandel begriffen. Man muss sich nur
ansehen, wie zum Beispiel die Entdeckung des Feuers oder die modernen
Transporttechnologien unsere Lebensmittel und Ernährungsgewohnheiten
verändert haben“, erklärte Fabian Lange. Die Demokratisierung des
Genusses habe dazu geführt, dass der Genussbegriff verallgemeinert
wurde. „Doch der allgemeinen Sehnsucht nach Authentizität steht eine
Entwicklung gegenüber, welche die Zerstörung von Echtheit durch
industrielles Plagiieren zum Inhalt hat.“
Die essentielle Frage
sei, wie sich die Sehnsucht nach Heimat und Authentizität mit dem
modernen Genussbegriff verbinden lasse. Lange: „Jeder Mensch ist auf
seine Art ein Genießer. Genuss ist sehr eng an Orte verknüpft und
bedeutet in New York etwas anderes als in Berlin oder Kairo. Das Terroir
muss sich in Produkten widerspiegeln.“
Südtiroler
Qualitätsprodukte sind aus Sicht der Gebrüder Lange authentisch. „Aber
Authentizität benötigt Erneuerung. Man darf nicht nur die Asche hüten,
sondern muss die Glut schüren.“
„Sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen“
Lob
für die Südtiroler Markenpolitik kam beim Genusssymposium von Slow
Food Italien-Präsident Roberto Burdese: „Die Schutzmarke Südtirol gibt
es seit 1976. Mit dem Konzept, auf hochwertige Produkte aus der Region
mit dem Gütesiegel zu setzen, war Südtirol schon damals Vorreiter.“ Man
dürfe sich aber nicht auf den Lorbeeren ausruhen: „Es gibt auch in
Zukunft zahlreiche Herausforderungen“, unterstrich Burdese, „so darf
Image nie die Substanz eines Produktes überragen. Darüber hinaus sollten
Markt und Gewinn nicht an erster Stelle stehen.“
Über das Genussfestival Südtirol
Das
Genussfestival Südtirol vom 2. bis 5. Juni in der Bozner Altstadt ist
der erste gemeinsame Auftritt der Südtiroler Qualitätsprodukte. Neben
dem Südtiroler Speck g.g.A. präsentieren sich der Südtiroler Apfel g.g.A
und die Südtiroler Milch und Milchprodukte in eigenen Produkthäusern.
Die Nischenprodukte stehen auf der Genussmeile im Fokus. Auf
Weinliebhaber aus aller Welt warten die Bozner Weinkost sowie das
Internationale Gewürztraminer Symposium.
Detailprogramm: www.genussfestival.it