Hat der Südtiroler Wein 2009 das Zeug zu einem unvergesslichen Jahrgang?
Überblick über die Situation in Südtirol
Wer
im Spätsommer durch Südtirols Weinlandschaft fährt oder spaziert,
findet überall das gleiche Bild vor. Kerngesunde, pralle Trauben hängen
an den Reben der Weinberge und warten auf die Lese, die heuer, je nach
Lage und Sorte, zwischen 10 und 20 Tage früher als im Vorjahr beginnt.
Selbst der Regen der letzten Tage ist durchaus willkommen, gewisse
Lagen haben ihn sogar gebraucht, um im letzten Abschnitt der Reifephase
noch das Beste von sich zu geben.
Viel Gutes…
Erste
Analysen und Geschmacksprüfungen lassen Südtirols Weinproduzenten, wie
auch den Endverbraucher, für die meisten Sorten und Lagen auf ein
Spitzenjahr hoffen. Schon die Blütezeit war witterungsbegünstigt, was
sich auch in den folgenden Monaten weiterführte. Durch den heißen und
recht trockenen Sommer kommt es in einigen Gebieten zwar zu moderaten
Mengeneinbußen, die Qualität scheint aber nach derzeitigem
Erkenntnisstand quer durch das Land auf Topniveau zu stehen. Dies gilt
im Besonderen für Weine in mittleren und hohen Lagen. In den
traditionellen Frühlagen bleibt abzuwarten, wie sich die besonders
heißen Augustnächte auf das Gleichgewicht zwischen Zucker- und
Säureentwicklung auswirken.
…und wenig Schlechtes
Einzige
Hiobsbotschaft des Jahres waren vereinzelte Hagelschauer, die vor allem
gewissen Gebieten in Kaltern und Tramin übel mitgespielt haben, ohne
glücklicherweise das Ausmaß der Verheerungen des letzten Jahres zu
erreichen. In
der Folge kommen Experten, Kellermeister und Winzer zu Wort, um einen
Überblick über die Situation in den verschiedenen Anbaugebieten des
Landes zu vermitteln.
Streifzug durch die Anbaugebiete
Josephus Mayr,
Präsident der Freien Südtiroler Weinbauern, ist mit den bisherigen
Resultaten sehr zufrieden. „Die Trauben sind durchwegs gesund, haben
jetzt schon sehr gute Zuckerwerte und, vor allem in mittleren und
höheren Lagen, auch exzellente Säuregrade. Ich erwarte mir einen
besonders guten Jahrgang und bin überzeugt, dass wir durchaus noch ein
bisschen mit der Ernte zuwarten können, da die Nächte inzwischen frisch
genug sind, um das Gleichgewicht auch bei weiterer Reifung
beizubehalten und eventuell auszubauen.
Stephan Filippi,
Kellermeister der Kellerei Bozen, findet noch optimistischere Worte:
„Eine genaue Analyse können wir natürlich erst in ein paar Wochen
anstellen, aber was ich bisher in den Weinbergen gesehen habe, gepaart
mit den Erkenntnissen aus den ersten Lieferungen, stärkt mich in der
Überzeugung, dass 2009 ein großer Jahrgang wird, der es mit
unvergesslichen Weinen wie jenen von 1990 oder 1995 aufnehmen kann. Vor
allem für die Bozner Paradesorten Lagrein und Vernatsch sieht es
derzeit sehr gut aus. Viel besseres könnte sich ein Kellermeister gar
nicht wünschen.
Unvergesslich gut könnte der neue Jahrgang auch nach den Worten des Obmannes der Kellerei St. Michael – Eppan, Anton Zublasing, werden.
Dies gelte seiner Meinung nach für alle Weine, weiß wie rot. „Was wir
bisher gesehen und geprüft haben, birgt das Potential für einen
Spitzenjahrgang, von dem man noch lange reden wird. Zucker-, Säure- und
vor allem PH Werte sind so schön, dass die neuen Weine überaus gut sein
und ein seltenes Alterungspotential mitbringen werden. Einziger
Wermutstropfen ist die mitunter enttäuschende Menge, die wir aber mit
herausragender Qualität wettmachen“, ist Zublasing überzeugt.
Paul Hafner
vom Südtiroler Beratungsring sieht vor allem Weine aus mittleren und
höheren Lagen in einer guten Position: „Natürlich kann man zu diesem
Zeitpunkt keine Pauschalurteile
abgeben, aber das schöne Sommerklima hat sich wohl besonders auf
mittlere und höhere Lagen positiv ausgewirkt, während wir in den
tieferen und frühen Lagen noch verifizieren müssen, ob durch die sehr
warmen Augustabende noch genüg Säure in den Trauben geblieben ist. Durchwegs sehr gut ist der Gesundheitszustand des Traubenguts, auch dank eines gut und effizient funktionierenden Beratungsnetzwerkes im Land.“
Apropos Gesundheitszustand: Es gibt auch in Südtirol eine wachsende Bewegung für den biodynamischen Anbau, der letztes Jahr durch
äußerst widrige Witterungsverhältnisse auf eine schwere Probe gestellt
worden war. Gab es heuer so etwas wie Wiedergutmachung vonseiten des Wetters? „Auf jeden Fall“, antwortet Helmuth Zozin, Kellermeister von Manincor
in Kaltern. „Die klimatischen Bedingungen waren heuer so, dass wir
Trauben von exzellenter Qualität heranziehen konnten. Die
bisher schon geernteten Weißweine sehen nicht nur gut und gesund aus,
sondern haben auch durch die Bank perfekte Zucker- und Säurewerte, die
uns jetzt schon Anlass zur Freude über einen Superjahrgang geben. Auch
die Hagelfälle Anfang Juli und Ende August haben wir ausschließlich
durch sanfte Methoden, einschließlich äußerst mühsamer Handarbeit,
extrem erfolgreich in den Griff bekommen und nur begrenzte
Mengenverluste hinnehmen müssen. Auch hier ist die Qualität zu unserer
Überraschung auf höchstem Niveau.
Um
das Bild zu vervollständigen bleibt nur noch ein Blick in die
nördlichen Weinbaugebiete des Landes. Im Vinschgau zeigt sich die
gleiche Situation wie im restlichen Südtirol. Nach Franz Pratzner
vom Naturnser Weingut Falkenstein sieht es derzeit bestens aus. „Der
Reifeprozess ist schon im fortgeschrittenen Stadion, die Trauben
allesamt gesund und die Geschmackswerte bestens. Das einzige
Fragezeichen steht noch vor den Säurewerten, die im Vinschgau
naturgemäß immer besonders hoch sind und so den dortigen Weinen ihren
Stempel aufdrücken. Es ist nicht auszuschließen, dass sie diesmal etwas
„normaler“ ausfallen, aber für ein endgültiges Urteil ist es
diesbezüglich noch zu früh.
Ähnliches hört man gleichfalls aus dem Osten. Im Eisacktal ist die Müller-Thurgau Ernte schon im Gange, und die Qualität ist hier schon Spitze. Kellermeister Celestino Lucchin von der Stiftskellerei Neustift freut
sich: „Wir werden heuer sicher durchwegs erstklassige Weine keltern.
Die Trauben sind über den ganzen Sommer gesund geblieben, wenn wir auch
bei der Menge kleine Einbußen verzeichnen,
und die Richtwerte sind allesamt auf hohem Niveau. Besonders gespannt
bin ich heuer auf unseren Riesling. Vom Potential her könnte er zu
einem unvergesslichen Jahrgang werden, der wunderbar schmeckt und sehr
lang haltbar sein dürfte.“
Resümee
2008
war ein meteorologisch gesehen schwieriges Jahr für den Südtiroler
Wein, und hat doch wunderbare und preisgekrönte Tropfen hervorgebracht.
Gespannt kann man demzufolge auf den 2009er sein, der nach Aussage der Experten nach heutigem Stande alle Trümpfe in der Hand hält, um zu einem denkwürdigen Jahrgang zu werden.